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Schwerhörigenzentrum Wien

«Hört auf, die Telefonspulen schlecht zu reden!» Von Gael Hannan

Der folgende Beitrag ist ein pointierter Text der schwerhörigen kanadischen Autorin und Komödiantin Gael Hannan PRO Telefonspulen / Induktionsspulen in Hörsystemen und ein Appell zur Umsetzung "Akustischer Barrierefreiheit".
Mit ihrem 2015 erschienenen Buch «The Way I Hear It: A Life with Hearing Loss” und ihrer komödiantischen «Ein-Frau-Show» ist sie inzwischen international bekannt geworden. Neben Auftritten in Kanada, den USA, und den skandinavischen Ländern hatte sie erst kürzlich einen gefeierten Auftritt in Neuseeland.
Der Text wurde übersetzt von Siegfried Karg mit freundlicher Genehmigung durch die Autorin Gael Hannan.

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Ich weiss nicht, wie ich dies noch deutlicher sagen kann: Telefonspulen (Induktionsspulen) in meinen Hörgeräten haben mein Leben besser gemacht. Besser, glücklicher, leichter und enger mit anderen Menschen verbunden – es gibt Abertausende von uns. Wegen dieser positiven Erfahrung ist es für uns – als Botschafter für Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung und den internationalen Organisationen – frustrierend zu hören, dass Audiologen (Hörakustiker) bei ihren Kundengesprächen Stimmung gegen Induktionsspulen machen, wenn sie ihren Kunden sagen, dies sei «alte Technologie», und «probieren Sie lieber dieses neueste, grossartigste Gerät»! Ohne Induktionsspule wäre ich nicht in der Lage gewesen, so problemlos zu telefonieren, wie ich es die letzten 20 Jahre tun konnte. Ich benutze die Telefonspule immer noch täglich beim Telefonieren, ob mit dem Festnetz- oder Mobiltelefon.

Ohne Induktionsspulen müsste ich mich weiterhin in einer Gruppe oder einer Menge ganz nach vorne drängeln, oder in der ersten Reihe sitzen, um die Redner zu sehen und von deren Lippen zu lesen. Jetzt kann ich hinten in einem überfüllten Saal stehen – wie ich es kürzlich am nationalen Kongress des kanadischen Schwerhörigenverbands and am Jahres-Kongress des amerikanischen Schwerhörigenverbands getan habe. In Plenarsitzungen und kleineren Arbeitsgruppen flossen die Stimmen der sprechenden Personen wunderbar in meine Hörsysteme. (Bluetooth kann das nicht – die armen Redner hätten 100 Sendegeräte um ihren Hals hängen oder an ihren Kleidern befestigen müssen.).

Ohne Induktionsspulen wäre ich nicht in der Lage gewesen, Audio-Leitsysteme in Museen, in Kunstgalerien, auf Bootstouren und in anderen Einrichtungen auf der ganzen Welt, wo man sich um die Inklusion von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen kümmert, zu benutzen. Ich hätte mich auf ungenaue Übertragung meines hörenden Ehemannes verlassen - oder mich mit visueller Information abfinden müssen.

Ich habe die Induktionsspulen in anderen mit einer Induktiven Höranlage ausgestatteten Umgebungen wie in der Kirche, am Bankschalter, und beim Fernsehschauen benützt. Wenn ich einen Vortrag halte, oder als Komödiantin auftrete, bitte ich darum, dass zusätzlich zum mit einer Induktionsleitung ausgestatteten Zuschauerraum die Bühne ebenfalls induktiv versorgt wird, denn das hilft mir, mich selbst besser zu hören (ist immer eine gute Sache für die vortragende Person).

Immer noch sagen viele Audiologen / Hörakustiker Induktionsspulen seien «alte» Technologie, wie wenn Entdeckungen mit einem «Ablaufdatum» versehen würden, ab welchem sie plötzlich nicht mehr nützlich wären. Ich bin der Meinung: Hey! Wie steht es mit dem Rad? Es ist eine sehr alte Erfindung – und bis auf den heutigen Tag halten Räder unsere Welt am Laufen. Wie es im Song heisst: ‘Grosses Rad dreh dich weiter’. [Creedence Clearwater Revival, 1969]. Penicillin und Insulin wurden in den 1920er Jahren erfunden und sie retten immer noch Leben. Ebenso, obwohl Induktionsspulen Jahrzehnte alt sind, liefern sie immer noch entscheidenden und erlesenen Zugang zur Kommunikation.

Fachpersonen im Bereich der Hörakustik müssen aufhören, die Telefonspulen schlecht zu reden, denn hörbeeinträchtigte Menschen rund um den Globus lieben sie. Wir lieben es, wie das Umstellen unserer Geräte in die T-Spulen-Betriebsart uns mit anderen Menschen verbindet. Und es ist keine «Entweder-oder»-Situation. Wir lieben es auch, was Bluetooth für uns tut, wenn wir es benützen können. Wir schwärmen über die Verbesserungen bei der Schriftdolmetscher-Technologie. Wir interessieren uns brennend für Untertitelung.

Wir möchten alles, und heutzutage können wir alles haben – aber nur wenn Fachpersonen der Hörakustik die Bedürfnisse ihrer Kunden allem voranstellen und unsere gesamten tagtäglichen Hör-Erfordernisse berücksichtigen.

Und sollten Sie immer noch nicht überzeugt sein – nur weil wir es sagen – dann empfehlen wir Ihnen nachdrücklich, einen Konsumenten-Anlass von Menschen mit Hörbeeinträchtigung zu besuchen. Dort können Sie selbst den Gesichtsausdruck einer hörbeeinträchtigen Person sehen, wenn sie Telefonspulen in einer Arbeitsgruppe zum ersten Mal benützen, oder wenn jemand die Nationalhymne singen hört. Dieses Staunen ist einen Kreditpunkt für die vorgeschriebene Weiterbildung wert.
Wenn Du jemand bist, dessen Fachperson der Hörakustik versucht, Dir eine Telefonspule auszureden, sei höflich, aber bestimmt: Gib. Mir. Eine. Telefonspule! Und wenn das nichts nützt, dann suche Dir eine mehr Personen-zentrierte Hörakustik-Fachperson oder Hörklinik.*

Dieser Text wurde in dem Hörakustik-Blog https://hearinghealthmatters.org/betterhearingconsumer/2019/stop-trash-talking-telecoils/ publiziert (2. Juni 2019).

Anmerkung der Redaktion: Auch VOX und seine Beratungsstelle TA-VOX legen größten Wert darauf, dass Hörsystemträger/innen über den Sinn undNutzen von Induktionsspulen Bescheid wissen, denn wer akustische Barrierefreiheit haben will, muss als Basis ein "akustisch barrierefreies Hörsystem mit aktivierter Induktionsspule / "T"-Spule haben!